Testierunfähigkeit bei Wahnvorstellungen

Es wird auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt hingewiesen:

„Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Dabei gilt als testierunfähig derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, also von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. u.a. bereits BGH, Urteil vom 29.01.1958, Az. IV ZR 251/57; BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04; OLG München, Beschluss vom 14.08.2007, Az. 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. u.a. Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2229 Rn. 1 m.w.N.). Grundsätzlich ist dabei weiterhin zu beachten, dass es keine notwendige Voraussetzung der Testierunfähigkeit ist, dass (auch) ein Versagen auf intellektuellem Gebiet vorliegt; auch wenn in dieser Hinsicht keine Defekte festzustellen sind, aber die Freiheit des Willensentschlusses durch krankhafte Störungen der Motiv- und Willensbildung aufgehoben ist, liegt eine Testierunfähigkeit vor (vergleiche u.a. BayOblG, Beschluss vom 27.07.2001, Az. 1Z BR 84/00 für den Fall eines Altersparanoids im Sinne eines Bestehlungswahns). Bei einer derartigen Störung der Motiv- und Willensbildung kann eine Testierunfähigkeit letztlich auch dann gegeben sein, wenn der Erblasser – wie vorliegend wohl auch die Erblasserin – im Übrigen bis zu seinem Tode imstande gewesen ist, sich selbst zu versorgen und seine gesamten Angelegenheiten selbst zu erledigen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27.07.2001, a.a.O.).“

(OLG Frankfurt in ErbR 2017, 721-727)